Um das eigene Unternehmen erfolgreich digital weiterzuentwickeln, müssen Sie die richtigen strategischen Schwerpunkte definieren. Lesen Sie mehr dazu, welche Ansätze der digitalen Weiterentwicklung zur Auswahl stehen und wie ein systematisches Vorgehen dabei hilft, die passende Strategieausrichtung zu definieren.

DEN RICHTIGEN FOKUS WÄHLEN: KURS SETZEN FÜR DIE DIGITALE ZUKUNFT IHRES UNTERNEHMENS

Die strategische Weiterentwicklung eines Unternehmens ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die ein Höchstmass an Marktverständnis, analytisch-vernetztem Denken, Innovation und Veränderungsfähigkeit erfordert. Wo also sind die Prioritäten zu setzen, wenn es darum geht, die Digitalstrategie des eigenen Unternehmens für die nächsten Jahre zu bestimmen? 

Im aktuellen Geschäftsumfeld spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Sie bietet eine breite Palette neuer Optionen wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz, Augmented Reality oder Internet of Things an, die unternehmensspezifische Nutzenpotentiale eröffnen.

Mit dem kreativen Zusammenführen von individuellen Herausforderungen und diesen Optionen entstehen Lösungen mit neuem Business Impact, darunter eine gesteigerte Effizienz, verbesserte Qualität, die Möglichkeit einer verstärkten Differenzierung und neuen Geschäftsfeldern.

Auf der Grundlage meiner Erfahrungen aus der Beratung und Hochschultätigkeit empfehle ich, dass sich Unternehmen vor der Auseinandersetzung mit diesen digitalen Optionen entscheiden, welchen grundsätzlichen strategischen Weg sie beschreiten wollen. Diese Entscheidung setzt keine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen Technologien voraus, sondern viel mehr eine Überprüfung des aktuellen Umfelds und der individuellen Firmenposition in der digitalen Entwicklung.

Bramwell Kaltenrieder

Digitale Basisstrategien

Zunächst einmal sollten wir die strategischen Ausprägungen der Digitalisierung näher betrachten. Aus der Analyse zahlreicher Fallstudien wird ersichtlich, dass Unternehmen eine oder mehrere sogenannte digitale Basisstrategien mit individuellen Zielen verfolgen. Diese insgesamt drei Ausprägungen der digitalen Transformation von Unternehmen zeigt Abbildung 1. Die roten Markierungen darin zeigen, welche Ebenen des ROM-Modells1 je nach Basisstrategie betroffen sind.

Abbildung 1: Digitale Basisstrategien im Überblick (eigene Darstellung)

Digitally Enhanced Business: Digital folgt der Strategie

Mit dem primären Ziel der Effizienzsteigerung geht es hier um die Vereinfachung und Digitalisierung bestehender Prozesse und Funktionen. Typische Anwendungsbereiche sind die Digitalisierung der Interaktion zwischen der Organisation und ihren Kundinnen und Kunden, die digitale Umgestaltung von Kern- oder Produktionsprozessen oder die Automatisierung von HR-Prozessen.

Auch als Grundlage für weitere Schritte werden in dieser Phase oft agile Praktiken eingeführt und neue Fähigkeiten aufgebaut. Der Fokus dieses Ansatzes liegt somit auf der Ressourcen-Ebene, ebenfalls können Teile der Angebotsebene betroffen sein. Ohne ein Durchlaufen dieses Schritts können die Phasen zwei und drei selten erfolgreich umgesetzt werden.

Abbildung 2: Digitally Enhanced Business – das Bestehende effizienter und kund:innenfreundlicher machen (eigene Darstellung)

Ein Beispiel für Digitally Enhanced Business

Digitalisierung im KMU: Blech biegen – aber smart

Einen klaren Wettbewerbsvorteil hat sich die Schweizer Firma Jorns, die auf die Herstellung von Maschinen für die Feinblechverbiegung spezialisiert ist, mit einer Prozessoptimierung für ihre Kunden erarbeitet.

Mit einer benutzerfreundlichen Software wird der Anwender mit der Blechbearbeitungsmaschine vernetzt: Direkt auf der Baustelle wird mittels einer App auf dem Tablet das erforderliche Blechteil definiert, bestellt und kann während dem ganzen Vorgang administrativ bearbeitet werden. Damit entfallen nicht nur Handskizzen, mit dem durchgängigen digitalen Prozess werden Zeit und Ressourcen gespart.

Ansicht der Biegeteile-Software J-Bend auf Tablet, welche die Biegeteil-Berechnung direkt an der Baustelle möglich macht. Quelle: Jorns 

Digitally Expanded Business: Digital beeinflusst Strategie

Diese oft unternehmensweite Umgestaltung von Organisationen kommt einer Neuerfindung des bestehenden Geschäfts gleich. Mit dem Aufbau eines digitalen Geschäftsmodells wird die Grundlage für Differenzierung und neues Wachstum im bestehenden Markt geschaffen. Ein Beispiel ist ein Einzelhändler, der ein vollständig integriertes Kundenerlebnis über seine physischen und digitalen Kanäle bietet.

Die Angleichung traditioneller organisatorischer Silos, die Einführung geeigneter Governance-Modelle sowie die Gewinnung neuer Talente sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation.  Betroffen in diesem Ansatz sind somit die Angebots- und Ressourcen-Ebene des Unternehmens.

Abbildung 3: Digitally Expanded Business – Wachstum dank neuem «digitalen» Geschäft (eigene Darstellung)

Ein Beispiel für Digitally Expanded Business

Hiltis „Equipment as a Service“

Die Schaaner Firma Hilti hat ein zusätzliches, digitales Geschäftsmodell eingeführt: Mit seinem „Equipment as a Service“-Modell sorgt es dafür, dass seine Grosskunden auf den Baustellen nahtlos die nötigen Geräte zur Verfügung haben und bei Reparaturen, Diebstahl oder benötigtem Spezialwerkzeug von einem sehr schnellen Service profitieren.

Dank neuen Technologien und einer Datenerfassung können die Werkzeuge optimiert genutzt werden. Ausserdem müssen die Kunden keinen teuren Maschinenpark mehr selber unterhalten und reduzieren damit ihre fixen Kosten – während Hilti von regelmässigen neuen Service-Umsätzen profitiert.

Heute ist Hilti bereits einen Schritt weiter: Mit dem BIM Experience Center will HILTI die Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten digital transformieren.

Hilti Direktvertrieb mit Kundenberatung direkt vor Ort. (Quelle: Hilti)

New Digital Business: Mit Digital ganz neue Wege gehen

Bei diesem Diversifikationsschritt geht es um die Schaffung neuer Erlösquellen. Dies kann durch das Erschliessen neuer geographischer Märkte über digitale Vertriebswege, eine Vor- und Rückwärtsintegrationen mittels digitaler Wertschöpfungssysteme (Ökosysteme) oder den Aufbau neuer Geschäftsfelder bewerkstelligt werden. Letzteres kann beispielsweise über den Zukauf von Start-ups oder organisch über den selbstständigen Aufbau etabliert werden. Diese Basisstrategie betrifft einerseits die Ebene der Marktpositionen (Portfolio), anderseits je nach Umsetzungsansatz auch die Angebots- und Ressourcen-Ebene.

Abbildung 4: New Digital Business – Wachstum dank neuem «digitalen» Geschäft (eigene Darstellung)

Ein Beispiel für New Digital Business

Mobility Carsharing

Ein typisches Beispiel für New Digital Business ist die Beteiligung und Zusammenarbeit von SBB bei Mobility. Für die SBB ist Carshareing eine effektive Ergänzung zum öffentlichen Verkehr, indem es die letzte Meile zwischen Bahnhof und dem Bestimmungsort der Reisenden abdeckt.

Ein Mobility Nutzer beim Öffnen eines Autos via App. (Quelle: Mobilty)

Business Impact der drei Ausprägungen der digitalen Transformation

Die drei Ansätze werden üblicherweise sequenziell angewendet, wie in der Abbildung 5 unten dargestellt. Mit einem Start im «Digitally Enhanced Business» werden einerseits Prozesse digitalisiert, anderseits aber auch Kompetenzen aufgebaut, die den späteren Schritt zum «Digitally Expanded Business» überhaupt  erst ermöglichen. Um ein «New Digital Business» aufbauen zu können, sind entsprechende Erfahrungen aus den beiden vorausgehenden Stufen empfehlenswert.

Abbildung 5: Transformationsgrad und Business Impact in Relation (eigene Darstellung)

Die richtige Digitalstrategie wählen

Zur Wahl der digitalen Ausprägung der nächsten Transformationsphase ist der Kontext zu analysieren. Insbesondere nachfolgende Faktoren sind dabei zu berücksichtigen: 

Externe Sicht

1. Position des Unternehmens im Branchenzyklus

2. Erwartete Entwicklung der Marktkräft

Interne Sicht

3. Relative Marktposition im Wettbewerb heute

4. Relatives Ressourcenpotenzial heute (u.a. Innovationskraft, Digitale Reife, Digital Skills) 

Auf der Grundlage dieser Analyse-Erkenntnisse kann anschliessend die Position des Geschäfts respektive eines Geschäftsbereichs in der Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärken-Matrix hergeleitet werden (vergl. Abbildung 6). Die Marktattraktivität leitet sich aus den Punkten 1. und 2. ab, die Wettbewerbsstärke resultiert aus den Punkten 3. und 4.. Unter Berücksichtigung der Eigentümerstrategie kann schliesslich die passende digitale Basisstrategie selektiert werden. 

Abbildung 6: Die richtige Strategiewahl (eigene Darstellung, in Anlehnunh an McKinsey’s Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärken-Matrix)

Ob und in welcher Form «Digital» Teil der Unternehmensstrategie oder einzelner funktionaler Strategien wird, hängt im Wesentlichen damit zusammen, in welcher Ausprägung ein Unternehmen seine digitale Transformation vorantreibt.

Während «Digitally Enhanced Business» in der Regel lediglich die Überarbeitung funktionaler Strategien bedarf, bedeutet «Digitally Expanded Business» eine grundlegende Veränderung der Geschäftsstrategie. Ob dabei der digitale Teil in die klassischen Strategien eingearbeitet oder eine separate Digitalstrategie erarbeitet wird, wird in Unternehmen unterschiedlich gehandhabt. Lediglich 51% der Schweizer Unternehmen berücksichtigten den digitalen Teil 2021 in ihrer Strategie. 2

Auf der Grundlage der Entscheidungen in diesem Initialisierungsschritt kann in der Folge der entsprechende Transformations-Pfad gemäss Abbildung 7 verfolgt werden (Schritte 1 bis 3).

Abbildung 7: Differenzierter Prozess der Digitalen Transformation (eigene Darstellung)

Quellen

  1. Grünig, R., & Kühn, R. (2018). Strategieplanungsprozess.
  2. Peter, Marc (2021) Digitaler Masterplan für KMU.
  3. Zöller, Sascha (2019) Ja zur Digitalisierung!.
  4. Lombriser, R. & Abplanalp, P.A. (2015) Strategisches Management.

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